Für mein (noch in diesem Jahrhundert erscheinendes) Buch über die Auswirkungen der Digitalisierung lese ich mich aktuell in die bestehende Sachbuch-Landschaft ein. Die gute Nachricht: Kein Buch hat mich derartig überzeugt, dass ich nicht mehr das Gefühl hätte, selbst eines zu schreiben zu müssen.
Falls ihr euch auch ein wenig einlesen wollt, habe ich euch meine Amazon-Rezensionen zu ein paar in den letzten Monaten gelesenen Büchern rauskopiert. Die Sterne habe ich ausgeklammert, weil man Bücher nicht mit Sternen bewerten sollte. Viel Spaß!
Nein, substantiell neue Gedanken oder fundamentale theoretische Erkenntnisse sucht man in diesem Buch vergebens. Aber man muss sie auch nicht suchen, denn diese grundlegende Aufarbeitung einer uralten Diskussion ist so spaßig, wie kaum eine Äußerung zum Thema es ist. Das Buch schafft es, das Binärdenken zum Thema „Auswirkungen des Internets“ mindestens bröckeln zu lassen und dabei mit optimistisch-versöhnlichem Stil 99% der aktuell immer noch geführten Diskussionen zum Thema einen oder zwei Schritte voraus zu sein.
Analog ist das neue Bio: Eine Navigationshilfe durch unsere digitale Welt
Ironisch, dass der Autor ausgerechnet einen DVD-Verleih als Paradebeispiel für „das Analoge“ im Titel wählt. Denn wer weiß, wofür das erste D in DVD steht, merkt, dass auch der Autor Probleme hat, „digital“ und „analog“ präzise und brauchbar zu definieren. Und dennoch: Wer damit und mit dem Schreibstil klarkommt und nicht allzu viel revolutionär neue Tipps für den Umgang mit diesem „Digital“-Ding erwartet, findet in dem Buch interessante Denkanstöße.
Nudge: Wie man kluge Entscheidungen anstößt
Das erste Kapitel ist fantastisch. Nicht nur wird das Thema in seiner Relevanz erklärt, mit guten Beispielen verdeutlicht und von allen wichtigen Seiten beleuchtet – es ist auch durch und durch mit solidem psychologischem Grundlagenwissen unterfüttert.
Leider sind der zweite und dritte Teil, die beispielsweise Schwächen im amerikanischen Sozialsystem thematisieren und Lösungen vorschlagen, nur bedingt auf andere Länder anwendbar. So bleibt das Buch für den europäischen Leser unter dem Strich bei einem Mehrwert-Niveau, das mit einem TED-Talk und zwei Change.org-Kampagnen auch erreicht worden wäre.
Das neue Spiel: Strategien für die Welt nach dem digitalen Kontrollverlust
Das Buch ist an vielen Stellen noch nicht ganz rund. So gelingt zum Beispiel der Versuch die Auswirkungen der Digitalisierung technisch abzuleiten und dadurch ganzheitlich zu beschreiben noch nicht ganz. Was die zentralen Thesen zum Kontrollverlust angeht, müssen wir jedoch dankbar sein, dass sie jemand auf diese Weise formuliert hat. Denn auch wenn uns die vorgeschlagenen Strategien des Autors zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Internet nicht gefallen, könnten es perspektivisch gesehen die einzigen sein, die uns bleiben werden.
The Medium is the Massage: An Inventory of Effects
Ein Klassiker, der immer noch Spaß macht. Und das nicht nur in der historischen Funktion, sondern als gedankliches Framework für jedes neue Medium, das wir in unser Leben lassen. Man sollte es alleine schon deshalb lesen, um den Titel zu verstehen. Denn auch das kann nicht jeder Medienschaffende, der Anspielungen darauf macht.
Auch wenn ich den doch sehr pessimistischen Ausgangspunkt von Schirrmacher nicht komplett nachvollziehen kann, kann ich vieler seiner Argumente folgen und komme größtenteils zu ähnlichen Schlüssen. Insbesondere das Thema Verteilung der Aufmerksamkeit wird von Internet-Euphorikern zu leicht vom Tisch gewischt, wie Schirrmacher deutlich zeigen kann. Schirrmacher war jemand, der das Internet nicht kritisch-herablassend von außen betrachtet hat, sondern voll in die digitalen Medien eingetaucht ist um sich tatsächlich ein Urteil bilden zu können. Schade, dass er sein Werk nicht weiter vertiefen können wird.
The Next Digital Decade: Essays on the Future of the Internet
Super zusammengestellte Sammlung kluger Autoren mit toller Vielfalt an Themen und Meinungen. Das Buch ist eine tolle Grundlage für gesellschaftliche Diskussionen rund um das Internet und ist bei vielen Fragen schon weiter, als es der öffentliche Diskurs in Deutschland noch heute ist. Dennoch merkt man dem Buch sein Alter etwas an: Bestimmte Themen der Gegenwart fehlen oder werden heute schon wieder anders diskutiert. Zweites kleines Manko ist, dass – insbesondere bei Rechts-Themen – der Bezug zu Amerika sehr stark ist. Einzelne Kapitel sind viel zu nah an den Feinheiten der amerikanischen Gesetzgebung und Regulation, um für andere Länder noch Mehrwert zu bieten.