Endlich? Ja, endlich. Denn irgendwie ist es doch sehr wenig, was man über brand planning aka strategic planning aka account planning in den Bücherregalen findet. Klar, das eine oder andere gute Buch gibt es, doch selbst der deutsche Wikipedia-Eintrag zum Thema eiert gewaltig.
Der Versuch diese Lücke zumindest teilweise zu schließen heißt Brand Planning: Starke Strategien für Marken und Kampagnen.
Herausgeber ist ein ehemaliger Prof von uns: Andreas Baetzgen. Leider konnte mir der Verlag kein Rezensionsexemplar zur Verfügung stellen, weshalb ich meinen neuen Arbeitgeber zur Anschaffung überreden musste, was ungefähr drei Sekunden gedauert hat.
Was bietet das Buch?
Zunächst sei Folgendes gesagt: An der begrifflichen Unschärfe der Schlagwörter kommt niemand vorbei. So findet sich auch in diesem Buch keine finale Antwort auf die Frage „Was ist Planning?“. Und doch gelingt dem Herausgeber als Einstieg sehr gut, was er vorsichtig den „Versuch einer Positionsbestimmung“ nennt.
Was dann folgt, sind zwanzig Fachartikel, unter deren Autoren der eine oder andere prominente Name auftaucht. So sind die Artikel nicht nur praxisnah geschrieben, sondern vermitteln stellenweise sogar kleine Einblicke in Sicht- und Herangehensweisen zum Thema in den großen Agenturen. Ein bis zwei Texte haben mich nicht wirklich überzeugen können, was bei einem Sammelband mit einem solchen Umfang irgendwie immer so ist. Alles in allem bietet das Buch einen guten Überblick über Grundlagen, operative Ansätze und Implementierungen von strategischen Modellen – über den gesamten Verlauf der Markenwertschöpfungskette. Was fast alle Autoren nicht aus den Augen lassen: Das Thema Kreativität! Gefällt mir.
Was sind meine Highlights?
Besonders praxisnah ist unter anderem der Artikel „Modelle zur Entwicklung erfolgreicher Positionierungen“ von Scholz-Friend Vincent Schmidlin. Ein knackiger Überblick, von den produktorientierten Ansätzen bis zur neurowissenschaftlich gestützen, archetypbasierten Positionierung.
Mein anderer Favorite ist von Thomas Walther / Michaela Jausen. Der Text „Digital Planning – Wie man Marken im digitalen Zeitalter führt“ spiegelt sehr viel von dem wider, was ich den richtigen Weg für digitale Werbung nennen würde:
Der vielleicht wichtigste Unterschied zwischen einer klassischen und einer digitalen Kampagne ist, dass eine Kampagne in interaktiven Kanälen selbst nützlich und für Kunden wertvoll werden kann. Für Benjamin Palmer ist eine Kampagne daher auch erst dann wirklich „interaktiv“, wenn sie für den Kunden (virtuell) anfassbar, nützlich und weiter verwendbar ist. „For the same budget and energy as we expend on current forms of advertising, we could be making something more tangible, useful and reusable that plays a more integral part in the consumer’s life. […]“ Zwar gibt es heute kaum noch eine Markenkampagne, die nicht auch auf digitale Kanäle verlängert ist. Aber nicht jede Kampagne, die ihre Botschaften online distribuiert, ist interaktiv im Sinne Palmers.
Musste ich gleich twittern. Einen Fokus auf digitale Werbung lässt das Buch nicht erkennen. Und dennoch würde ich nicht sagen, dass bits und bytes zu kurz kommen.
Kaufen oder nicht kaufen?
Sogenannte „seniorige“ Planner finden vermutlich viel Ge- und Bewusstes im Buch. Dafür vermutlich auch den einen oder anderen inspirierenden Gedanken. Für angehende und quereinsteigende Planner oder sonstige über ihren Tellerand schauende Werber ist das Buch dagegen fast schon Pflicht.
Wer wissen möchte, warum man Margarine nicht mit einem Dreier vermarktet (S. 57) oder warum das berühmte Mick-Jagger-Briefing allenfalls als Anekdote dienen kann (S. 143), darf gerne hier klicken und sich das Buch besorgen.
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Falk Ebert