Seit kurzem können wir die Anzahl der Hardcore-Internet-Verweigerer in Deutschland ziemlich genau beziffern: 244.237 deutsche Anträge auf Unkenntlichmachung beim neuen Google-Dienst Street View haben uns in der internationalen Twitter-Szene den liebevollen Kosenamen „blurmany“ gesichert.
Doch während das unwiederrufbare, teilweise gegen den Willen der Mieter geschehene, Verschmieren der Häuserfronten vor allem ein ästhetisches Problem ist, spiegelt es doch ein größeres Dilemma wieder: Wir Deutschen sind beim Thema digital literacy, also beim Verstehen und Anwenden von digitaler Technik nicht so gut, wie wir es sein müssen, um im 21. Jahrhundert als Wirtschaftsmacht bestehen zu können.
Wie fehlende digital literacy schadet
Zum einen wäre da das Thema „the next big thing“. Glaubt irgend jemand, dass das aus Deutschland kommen wird? Das nächste Facebook oder Google made in germany? Ich drück die Daumen!
Dass das aber nicht besonders wahrscheinlich ist, liegt gar nicht so sehr daran, dass wir keine nach vorne denkenden, internetaffinen Developer hätten. Denn davon gibt es gar nicht so wenige, vor allem in unserer Internethauptstadt Berlin. Aber wer finanziert die? Trauriges Beispiel rivva: Der wirklich gute News-Aggregator kämpft seit Beginn um Akzeptanz. Und wem tat es nicht weh, zu sehen, wie StudiVZ dank zu geringer Developer-Power und kurzfristig gedachtem Gewinnstreben einen qualvollen Tod sterben musste?
Doch das wirklich große Problem ist nicht, dass das nächste Facebook seine Steuern nicht in Deutschland zahlen wird. Das wirklich große Problem sind die täglich verschwendeten Minuten im Umgang mit Hardware und Software im Alltag. Und die verlorenen Chancen. Wieviel Prozent der Deutschen können sich mit Hilfe einer kleinen, dynamischen Excel-Tabelle ausrechnen, welcher Handy-Vertrag der für sie günstigste ist? Meiner Meinung nach sollten das 100 Prozent sein.
Auf die Geschäftswelt bezogen:
- Wie viele Millionen Stunden kämpfen deutsche Sekretärinnen täglich damit, Absätze und Bilder in Word richtig einzufügen?
- Wie viel hochbezahlte Arbeitszeit geht dabei drauf, dass Topmanager jeden morgen die URL des manager magazin (mit http://www.) in die Adresszeile ihres Internet Explorer 6 tippen, weil sie nicht wissen, was RSS ist?
- Wie viel effizienter könnten unzählige Firmen sein, wenn sie das Prinzip (Sorry, Chris) Cloudcomputing verstanden hätten?
Übrigens…
Ich male natürlich schwarzweiß, grade. Das ist mir bewusst. Aber es macht eben so viel Spaß.
Wer mit mir zusammen weiterlästern möchte, kann das diese Woche beim Managementforum der Verlagsgruppe Handelsblatt tun. Dort bin ich als Referent und werde spannende Dinge über digital natives erzählen. Der Kongress findet im Hotel Nikko in Düsseldorf statt – genau gegenüber von dem Pixelkasten, mit dem dieser Artikel angefangen hat.
Und weil ich mir eigentlich vorgenommen hatte, keine rants mehr zu schreiben, ohne wenigstens ein bisschen am Problem selbst zu arbeiten, gibt es von mir am Mittwoch ein paar Grundlagen für die tägliche PC-Arbeit. Könnt ihr dann Audrucken und entsprechenden Sekretärinnen oder Topmanagern ins Fach legen.
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